Vergil, Aeneis II, 506 - 525
Der greise Priamus will gegen die eindringenden Griechen kämpfen
506 Forsitan et, Priami fuerint quae fata requiras.
507 Urbis uti1 captae casum convulsaque vidit2
508 limina tectorum3 et medium4
in penetralibus5 hostem,
509 arma diu senior6 desueta
trementibus aevo
510 circumdat nequiquam umeris et inutile ferrum
511 cingitur7 ac densos fertur8
moriturus in hostes.
512 Aedibus in mediis nudoque sub aetheris
axe
513 ingens ara fuit iuxtaque veterrima laurus
514 incumbens arae atque umbra complexa
penatis.
515 hic Hecuba et natae nequiquam altaria circum,9
516 praecipites atra ceu tempestate columbae,
517 condensae et divum amplexae simulacra sedebant.
518 ipsum autem sumptis Priamum iuvenalibus10
armis
519 ut1 vidit, "quae mens tam
dira, miserrime coniunx,
520 impulit his cingi7 telis?
aut quo ruis?" inquit.
521 "non tali auxilio nec defensoribus
istis
522 tempus eget, non, si ipse meus nunc
adforet Hector.
523 huc tandem concede! haec ara tuebitur
omnes,
524 aut moriere simul." sic ore effata recepit
525 ad sese et sacra longaevum in sede locavit.
1 uti + Ind.Perf.: sobald; 2 Subjekt ist Priamus; 3 tecta, orum: Palast; 4 medium (Enallage zu penetralibus: ); 5 penetralia, ium: Innerste (des Palastes); 6 senior, oris: der alte Mann; 7 cingi: sich etwas umgürten; 8 fertur: er will stürzen; 9 circum(sedebant); 10 iuvenalia arma: Waffen seiner Jugendzeit.
Übersetzung
Vielleicht möchtest du dich auch nach dem Schicksal des Priamus erkundigen. Sobald der alte Mann den Fall der eingenommenen Stadt, die Türen des Palastes aufgebrochen und den Feind mitten im Inneren sah, legt er vergeblich die lang entwöhnten Waffen um die vom Alter zitternden Schultern, gürtet sich das nutzlose Schwert um und will sich in die dichten Feinde stürzen, um zu sterben.
Mitten zwischen den Gebäuden unter dem freien Himmelsgewölbe stand ein gewaltiger Altar und nahe dabei ein sehr alter Lorbeerbaum, der sich über den Altar neigte und die Hausgötter überschattete. Hier saßen Hecuba und ihre Töchter vergeblich um den Altar, wie Tauben, die wegen eines dunklen Gewitters herabstürzten, dicht gedrängt und hielten die Götterbilder umfasst.
Sobald sie aber Priamus selbst sah, der die Waffen seiner Jugendzeit ergriffen hatte, sagte sie: "Welch unseliger Gedanke, ärmster Gatte, hat dich veranlasst, dich mit diesen Waffen zu umgürten? Oder wohin eilst du? Die Zeit bedarf nicht solcher Hilfe, noch solcher Verteidiger, auch nicht, wenn selbst mein Hector jetzt hier wäre. Hierher begib dich endlich! Dieser Altar wird alle schützen oder du wirst zugleich (mit uns) sterben." So sprach sie und zog den Hochbetagten zu sich und ließ ihn auf dem heiligen Sitz Platz nehmen.