Vergil, Aeneis IV, 259 - 295
Dido wird von tiefer Liebe zu
Äneas erfasst
Ut primum alatis tetigit magalia plantis,
Aenean fundantem arces ac tecta novantem*
conspicit; atque illi stellatus iaspide fulva*
ensis erat, Tyrioque ardebat murice laena*
demissa ex umeris, dives quae munera Dido*
fecerat, et tenui telas discreverat auro.*
Continuo invadit: "Tu nunc Karthaginis altae*
fundamenta locas, pulchramque uxorius urbem*
exstruis? heu, regni rerumque oblite1
tuarum!
Ipse deum2 tibi me claro demittit Olympo
regnator, caelum ac terras qui numine torquet;*
ipse haec ferre iubet celeris mandata per auras:*
Quid struis? aut qua spe Libycis teris otia3
terris?
Si te nulla movet tantarum gloria rerum,*
[nec super ipse tua moliris laude laborem,]*
Ascanium surgentem4
et spes heredis Iuli
respice, cui regnum Italiae Romanaque tellus*
debentur."5 Tali Cyllenius ore6 locutus
mortalis visus medio sermone reliquit,*
et procul in tenuem ex oculis evanuit auram.*
At vero Aeneas aspectu obmutuit amens,*
arrectaeque horrore comae et vox faucibus haesit.*
Ardet abire fuga dulcisque relinquere terras,*
attonitus tanto monitu imperioque deorum.*
Heu quid agat? Quo nunc reginam ambire7
furentem
audeat adfatu?8 Quae prima exordia sumat?
Atque animum nunc huc celerem, nunc dividit illuc,*
in partisque rapit varias perque omnia versat.*
Haec alternanti potior sententia visa est:*
Mnesthea Sergestumque vocat fortemque Serestum,*
classem aptent9 taciti sociosque ad litora cogant,
arma
parent et, quae rebus sit causa novandis,10
dissimulent;
sese interea, quando11 optuma Dido
nesciat et tantos rumpi
non speret amores,*
temptaturum aditus et quae mollissima12
fandi
tempora,13 quis rebus dexter modus. Ocius omnes
imperio laeti parent ac iussa facessunt.14
1 oblite: Vok.Sg.Part.Perf.akt.von obliviscor; 2 deum = deorum; 3 otia terere: Zeit vergeuden; 4 surgens, entis: heranwachsend; 5 deberi: bestimmt sein, zustehen; 6 tali ore = talibus verbis; 7 ambire: sich (an jemanden) wenden; 8 adfatus, us: Anrede; 9 aptare: klar machen – ergänze ein ut; 10 rebus novandis: für diese Veränderung; 11 quando: da, weil; 12 mollis,e: günstig; 13 relative Verschränkung; 14 facessere: ausführen
Übersetzung
Sobald er die Hütten mit seinen geflügelten Füßen erreicht hatte, erblickte er Äneas, wie er Burgen gründete und Häuser neu baute. Und jener hatte ein Schwert, das mit Gold schimmernden Jaspis besetzt war, und der Mantel, der von seinen Schultern herabhing, glühte von tyrischem Purpur, Geschenke, die die reiche Dido gemacht und mit dünnen Goldfäden bestickt hatte.
Sogleich fährt er ihn an: "Du legst nun die Grundsteine für das erhabene Karthago und baust im Dienste einer Frau eine schöne Stadt? Ach, der du die Herrschaft und deine Bestimmung vergessen hast! Der Herrscher der Götter selbst schickt mich dir vom berühmten Olymp, der mit göttlichem Wink Himmel und Länder lenkt: Er selbst befiehlt, diese Aufträge durch die schnellen Lüfte zu tragen. Was führst du im Schilde oder mit welcher Hoffnung vergeudest du deine Zeit in lybischen Ländern? Wenn dich kein Ruhm so hoher Bestimmung bewegt und du selbst nicht überdies für deinen Ruhm Mühe auf dich nimmst, nimm Rücksicht auf den heranwachsenden Ascanius und auf die Hoffnungen deines Erben Julus, dem die Herrschaft über Italien und das römische Land zustehen!"
Nachdem Merkur solche Worte gesprochen hatte, verließ er mitten in der Rede die Blicke des Sterblichen und entschwand fern aus den Augen in die zarte Luft. Aber Äneas jedoch schwieg erschüttert vom Anblick, die Haare standen ihm vor Schreck zu Berge und die Stimme stockte ihm in der Kehle. Er brennt darauf, fluchtartig wegzugehen und die süßen Länder zu verlassen, schwer erschüttert von solcher Ermahnung und dem Befehl der Götter.
Ach, was soll er machen? Mit welcher Anrede soll er es wagen, sich an die rasende Königin zu wenden? Welchen ersten Anfang soll er wählen? Und er lässt seine Gedanken schnell bald hierhin, bald dorthin eilen und überlegt hin und her. Und als er das eine und andere überdachte, schien ihm folgender Entschluss vorzüglicher zu sein: Er ruft den Mnesteus, den Segestus und den tapferen Serestus, im Stillen die Flotte klar zu machen, die Kameraden an der Küste zu versammeln, die Waffen vorzubereiten und zu verheimlichen, welchen Grund es für diese Veränderung gäbe; er werde inzwischen, da die beste Dido nichts ahnt und nicht hofft, dass eine so große Liebe gebrochen wird, eine Gelegenheit suchen, und welche Zeit die günstigste für eine Anrede und welche Art die richtige für diese Angelegenheit ist. Gar schnell gehorchen alle froh seinem Befehl und führen seine Anordnungen aus.