Vergil, Aeneis I, 561 - 574
Dido nimmt die Troer freundlich auf
561 Tum breviter Dido voltum1
demissa profatur:
562 "Solvite corde metum, Teucri, secludite curas!*
563 res dura2 et regni novitas3 me talia
cogunt
564 moliri et late4 finis custode tueri.
565 quis genus Aeneadum, quis Troiae nesciat urbem*
566 virtutesque virosque5 aut tanti incendia belli?
567 non obtunsa6 adeo gestamus pectora Poeni,
568 nec tam aversus7 equos Tyria Sol iungit ab
urbe.
569 seu vos Hesperiam magnam Saturniaque arva*
570 sive Erycis finis regemque optatis Acesten,*
571 auxilio tutos8 dimittam opibusque iuvabo.
572 voltis et9 his mecum pariter considere10
regnis:
573 urbem quam statuo, vestra est, subducite navis!*
574 Tros Tyriusque mihi11 nullo discrimine agetur."
1 voltum: Akk.Graec.: das Antlitz geneigt, den Blick gesenkt; 2 res dura: schwierige Lage; 3 novitas: das kurze Bestehen; 4 late (Adv.): weithin 5 virtutesque virosque: Heldentaten und Helden; 6 obtunsus: gefühllos; 7 adversus: weit von; 8 auxilio tutus: in sicherem Geleit; 9 et: aber; 10 considere: niederlassen; 11 mihi: Dat.auct.
Übersetzung
Dann sagte Dido kurz den Blick gesenkt: "Verbannt die Furcht aus eurem Herzen, o Teukrer, und verscheucht die Sorgen! Die schwierige Lage und das kurze Bestehen der Herrschaft zwingen mich, solches zu unternehmen und weithin die Grenzen mit Wachen zu schützen. Wer sollte das Geschlecht der Aeneaden, wer die Stadt Troja nicht kennen und die Heldentaten und Helden oder den Brand eines so großen Krieges? Wir Punier haben kein so gefühlloses Herz und nicht so weit weg von der tyrischen Stadt spannt der Sonnengott seine Pferde an. Sei es, ihr wünscht das große Italien und die saturnischen Gefilde, sei es das Gebiet des Eryx und König Acestes, ich werde euch in sicherem Geleit entlassen und mit Hilfsmittel unterstützen. Wollt ihr euch aber ebenso in diesem Königreich mit mir niederlassen: die Stadt, die ich errichte, ist die eure, zieht die Schiffe ans Land! Troer und Tyrier werden von mir ohne Unterschied behandelt werden."