Vergil, Aeneis VI, 684 - 702
Äneas trifft seinen Vater Anchises in der Unterwelt.
684 Isque1 ubi tendentem adversum2 per gramina vidit
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Aenean, alacris palmas utrasque tetendit,*
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effusaeque genis lacrimae, et vox excidit ore:*
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"Venisti tandem, tuaque exspectata parenti3
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vicit iter durum pietas? Datur4
ora tueri,
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nate, tua et notas audire et reddere voces?*
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Sic equidem ducebam5 animo rebarque6 futurum,7
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tempora dinumerans nec me mea cura fefellit.*
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Quas ego te terras et quanta per8
aequora vectum
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accipio! quantis iactatum, nate, periclis!*
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Quam9 metui, ne quid Libyae tibi regna nocerent!"
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Ille autem: "Tua me, genitor, tua tristis imago,*
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saepius occurrens, haec limina tendere adegit;*
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stant sale Tyrrheno classes. Da10
iungere dextram,
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da, genitor, teque amplexu11
ne subtrahe nostro!"
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Sic memorans largo fletu simul ora rigabat.*
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Ter conatus ibi collo dare brachia circum,*
701
ter frustra comprensa manus effugit imago*
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par levibus ventis volucrique simillima somno.
1 is = Anchises; 2 adversus: von der
entgegengesetzten Seite, entgegen; 3 parenti: Dat.auct.; 4
datur (mihi fato); 5 animo ducere: annehmen; 6 rebar: ich rechnete
damit; 7 futurum (esse); 8 per auch zu quas terras; 9 quam:
wie sehr; 10 da (mihi): gewähre mir, lass mich; 11 amplexu: Dat.Sg.
Übersetzung
Und sobald er Äneas, der von der entgegengesetzten Seite durchs Gras eilte, sah, streckte er freudig beide Hände aus, Tränen strömten über seine Wangen herab und folgende Worte sprudelten aus seinem Mund: "Bist du endlich gekommen und hat deine vom Vater erwartete Liebe den beschwerlichen Weg überwunden? Ist es mir (vom Schicksal) vergönnt, dein Antlitz, mein Sohn, zu schauen und traute Worte zu hören und zu erwidern? Fürwahr ich nahm an und rechnete fest damit, dass es so geschehen wird, zählte die Tage und mein Erwartung täuschte mich nicht. Welche Länder und wie große Meere hast du durchfahren und welch große Gefahren hast du, mein Sohn, bestanden, bis ich dich hier empfange! Wie habe ich gefürchtet, dass dir das Königreich Libyen irgendwie schadet!"
Jener aber: "Dein Bild, mein Vater, dein trauriges Bild, das mir öfter erschien, zwang mich, zu dieser Schwelle zu ziehen; im Tyrrhenischen Meer liegt die Flotte vor Anker. Lass mich deine Rechte ergreifen, Vater, und entziehe dich nicht meiner Umarmung!" So sprach er und benetzte zugleich mit einem Tränenstrom sein Antlitz. Dreimal versuchte er da, die Arme um seinen Hals zu legen, dreimal erfasste er vergeblich die Gestalt, sie entfloh seinen Händen gleich leichten Winden und einem leichten Traum sehr ähnlich.