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Cicero, Tusculanae Disputationes 3; 27,32, 33

De aegritudine - Depression

 
[27] Hoc tu igitur censes sapienti accidere posse, ut aegritudine opprimatur, id est miseria? Nam cum omnis perturbatio miseria est, tum carnificina est aegritudo. Habet ardorem libido, levitatem laetitia gestiens, humilitatem metus, sed aegritudo maiora quaedam, tabem, cruciatum, adflictationem, foeditatem; lacerat, exest animum planeque conficit. Hanc nisi exuimus sic, ut abiciamus, miseria carere non possumus.

[28] Atque hoc quidem perspicuum est, tum aegritudinem existere, cum quid ita visum sit, ut magnum quoddam malum adesse et urgere videatur. Epicuro autem placet opinionem mali aegritudinem esse natura, ut quicumque intueatur in aliquod maius malum, si id sibi accidisse opinetur, sit continuo in aegritudine.
 
[32] Qui [Epicurus] censet necesse esse omnis in aegritudine esse, qui se in malis esse arbitrentur, sive illa ante provisa et expectata sint sive inveteraverint. Nam neque vetustate minui mala nec fieri praemeditata leviora, stultamque etiam esse meditationem futuri mali aut fortasse ne futuri quidem: satis esse odiosum malum omne, cum venisset; qui autem semper cogitavisset accidere posse aliquid adversi, ei fieri illud sempiternum malum; si vero ne futurum quidem sit, frustra suscipi miseriam voluntariam; ita semper angi aut accipiendo aut cogitando malo.

[33] Levationem autem aegritudinis in duabus rebus ponit, avocatione a cogitanda molestia et revocatione ad contemplandas voluptates. Parere enim censet animum rationi posse et, quo illa ducat, sequi. Vetat igitur ratio intueri molestias, abstrahit ab acerbis cogitationibus, hebetem aciem ad miserias contemplandas facit

Übersetzung
[27] Glaubst du also, dass einem Weisen zustoßen kann, dass er von Depression überwältigt wird, das heißt vom Leid. Denn, wenn jede Störung Leid ist, dann ist Depression Folter. Es hat die Lust ihre Leidenschaft, die übertriebene Fröhlichkeit ihre Unbeständigkeit, die Angst ihre Ohnmacht, aber die Depression, ein gleichsam größeres Leiden: Siechtum, Qual, Pein, Abscheulichkeit; sie zerfleischt den Geist, frisst ihn auf und vernichtet ihn ganz. Wenn wir diese nicht so ablegen, dass wir sie ganz aufgeben, können wir vom Leid nicht frei sein.

[28] Und das ist allerdings klar, dass Depression dann entsteht, wenn scheinbar ein großes Unglück da ist und [uns] bedrängt. Epikur ist der Meinung, dass Depression natürlich aus der Vorstellung irgendeines Unglücks entsteht; so dass jeder, der ein größeres Unglück betrachtet, sofort in Depression verfällt, wenn er sich vorstellt, dass ihm selbst so etwas zustoßen könnte.

[32] Und Epikur meint, dass alle depressiv sein müssen, die glauben, im Unglück zu sein, sei es, jenes ist vorhergesehen und erwartet, sei es, jenes hat sich schon festgesetzt. Denn weder durch lange Dauer wird das Unglück kleiner, noch leichter dadurch, dass man sich darauf gefasst gemacht hat; überdies dumm sei auch der Gedanke an ein zukünftiges Unglück oder an eines, das nicht einmal eintreten wird: genug verhasst ist jedes Unglück, wenn es eingetroffen ist; wer aber immer daran denkt, es könnte irgendein Missgeschick eintreten, dem wird auch jenes zum bleibenden Unglück; wenn es aber nicht einmal eintritt, nimmt man grundlos freiwilliges Leid auf sich; so ist man durch das Erleiden oder das Denken an das Unglück immer in Angst.

[33] Linderung von Depression aber verlegt er auf 2 Dinge: auf Ablenkung vom Gedanken an Ärger und Hinwendung auf Betrachtung von Lebensfreude. Er ist nämlich der Ansicht, dass der Geist der Vernunft gehorchen und folgen kann, wohin jene führt. Es verbietet also die Vernunft, den Ärger zu beachten, sie lenkt von bitteren Gedanken ab und entschärft die Härte des Leides bei seiner Betrachtung.


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