Plinius, Briefe IV 25
Missbräuche bei geheimer Abstimmung im Senat
C. PLINIUS MAESIO MAXIMO SUO S.
Scripseram tibi1 verendum esse, ne ex tacitis suffragiis vitium aliquod exsisteret. Factum est. Proximis comitiis2 in quibusdam tabellis multa iocularia3 atque etiam foeda dictu, in una vero pro candidatorum nominibus suffragatorum nomina inventa sunt. Excanduit4 senatus magnoque clamore ei, qui scripsisset, iratum principem est comprecatus.5 Ille tamen fefellit6 et latuit, fortasse etiam inter indignantes fuit.
Quid hunc putamus domi facere, qui in tanta re, tam serio tempore tam scurriliter ludat, qui denique omnino in senatu dicax/ et urbanus8 et bellus9 est? Tantum licentiae pravis ingeniis adicit illa fiducia: "quis enim sciet?" Poposcit tabellas, stilum accepit, demisit caput, neminem veretur, se contemnit. Inde ista ludibria scaena et pulpito digna.
Quo te vertas? quae remedia conquiras? Ubique vitia remediis fortiora.10 "ᾈλλᾲ ταῦτα τῷ ὑπὲρ ᾑμᾶς μελῄσει",11 cui multum cotidie vigiliarum, multum laboris adicit haec nostra iners et tamen effrenata petulantia.
Vale.1 tibi zu scripseram; 2 comitia, orum: Wahlen; 3 iocularia, ium: Späße; 4 excandescere: zornig werden; 5 comprecari alicui: auf jemanden herab beschwören; 6 fallere: unentdeckt, verborgen bleiben; 7 dicax, acis: Spötter; 8 urbanus, i: Witzbold; 9 bellus, i: Spaßvogel; 10 erg. sunt; 11 "Aber darum wird sich der über uns steht kümmern" (gemeint ist der Kaiser)
Übersetzung
C. Plinius grüßt seinen Maesius Maximus
Ich hatte dir geschrieben, dass man befürchten müsse, dass bei geheimer Abstimmung irgendein Missbrauch entstehe. Das ist jetzt eingetreten. Bei den letzten Wahlen fanden sich auf einigen Stimmtafeln viele Scherze und auch Unanständigkeiten, auf einer aber statt der Namen der Kandidaten die ihrer Förderer. Der Senat wurde zornig und er beschwor laut den Zorn des Kaisers auf den herab, der das geschrieben hätte. Jener blieb dennoch unentdeckt und versteckte sich, vielleicht war er sogar unter den Empörten.
Was glauben wir, dass dieser zu Hause anrichtet, der bei einem so bedeutenden Vorgang, in einem so ernsten Augenblick so possenhaft spielt, der schließlich überhaupt im Senat ein Spötter, ein Witzbold und ein Spaßvogel war. Soviel Frechheit verschafft jenes Vertrauen schlechten Charakteren: "Wer wird es denn erfahren?" Er forderte Stimmtafeln, erhielt einen Griffel, senkte sein Haupt, fürchtet niemanden und verachtet sich selbst. Daher sind solche Spiele eines Theaters und einer Bühne würdig.
Wohin soll man sich da wenden? Welche Heilmittel soll man suchen? Überall sind die Fehler stärke als die Heilmittel. "Aber darum wird sich der über uns steht kümmern", dem täglich dieser unser träger und dennoch zügelloser Mutwille viele wache Stunden und viel Mühe zufügt.
Leb wohl!
Home Schriftsteller